Wie entsteht Prüfungsangst? - Teil II


Das ABC der Gefühle


Das ABC der Gefühle ist eine gängige Theorie der modernen Psychologie zur Entstehung von Prüfungsangst.

 

  • A bezeichnet hierbei die Situation selbst,
  • B die gedankliche Bewertung der Situation und
  • C die Reaktion auf diese Bewertung.

 

Laut dieser Theorie entsteht Prüfungsangst, aber auch Angst im Allgemeinen in zwei Schritten:

  1. Sie nehmen etwas wahr (z.B. dass die Prüfung näher kommt)
  2. Sie bewerten diese Wahrnehmung als negativ

Im Folgenden werden die Teile des ABC der Gefühle einzeln und mit anschaulichen Beispielen genauer dargestellt, um besser zu verstehen, wie Prüfungsangst entsteht:

Bild: Wie entsteht Prüfungsangst? Das ABC der Gefühle erklärt, woher die Ursachen von Angst bei Prüfungen kommen können.
Mit dem ABC der Gefühle lässt sich die Entstehung von Prüfungsangst erklären.

Die 3 Komponenten im Detail

A: Situation

Die Situation ist das, was wir objektiv wahrnehmen können. Im Falle von Prüfungsangst ist es die Prüfung selbst oder eine andere prüfungsähnliche Situation wie etwa ein Vorstellungsgespräch. Diese Situation entsteht für alle Prüflinge, die z.B. dieselbe Klausur schreiben, exakt gleich.

B) Gedankliche Bewertung

Die subjektive Bewertung einer Situation geht einen Schritt weiter als deren objektive Wahrnehmung. Hier fließen zusätzlich Dinge wie persönliche Erfahrungen mit Prüfungen ein oder auch für wie wichtig wir die Prüfung halten. Diese Bewertung ist sowohl vom einzelnen Prüfling als auch von der Prüfungssituation selbst abhängig. Die Bewertung ist dabei hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Prüfungsangst überhaupt entsteht.

Wenn ich beispielsweise weiß, dass mir das Fach Mathe nicht be- sonders liegt, bewerte ich eine Prüfung hier negativer und bedrohlicher als in einem anderen Fach.

C: Reaktionen

Auf die Wahrnehmung einer Situation und deren Bewertung folgt ein weiterer Schritt, nämlich die Reaktion des Prüflings.

Diese Reaktion entsteht auf unterschiedliche Weise und es werden 3 Formen unterschieden:

 

1.       Gefühle / Emotionen

 

Beispiele: Prüfungsangst, starke Nervosität vor einem Vorstellungsgespräch, Panik zu versagen etc.

 

2.       Körperliche Reaktionen

 

Beispiele: Starkes Schwitzen, Zittern, schnelle Atmung, schweißnasse Hände, erhöhter Blutdruck, gesteigerte Herzfrequenz etc.

 

3.       Handlungen / Verhaltensweisen

 

Beispiele: Verschieben der Prüfung, Herauszögern des Lernens bis auf den letzten Drücker, Ablenkungen (Smartphone, soziale Netzwerke, Fernsehen usw.), Flucht in zu häufige und sinnlose Routinen (Zimmer mehrmals täglich aufräumen, spülen, Staub saugen, Schreibtisch ordnen etc.)


Wie kann ich verhindern, dass Prüfungsangst entsteht?

Wenn man die 3 Komponenten des ABC der Gefühle betrachtet, fällt auf, dass nicht alle veränderbar sind.

Können Sie die Situation (A), also die Prüfung selbst verändern? Nicht wirklich, denn außer diese zu verschieben oder nicht anzutreten, gibt es keine wirklichen Alternativen um zu verhindern, dass sie entsteht. Zumindest, wenn Sie das Ziel, nämlich das Bestehen der Prüfung erreichen wollen.

 

Auch auf die Reaktion (C) haben Sie als Prüfling keinen

Einfluss, da Sie meist weder Herr Ihrer Gefühle sind, noch Ihre Körperreaktionen und Handlungen wirklich verändern können.

 

Somit bleibt als einziger Ansatzpunkt für eine Änderung B, nämlich die gedankliche Bewertung der Situation. Diese macht den Unterschied aus zwischen einer negativen und einer gelassenen bzw. sogar positiven Reaktion auf die bevorstehende Prüfung.


Verschiedene Bewertungen einer Prüfung

Lassen Sie mich das an einem Beispiel mit zwei Schülern der Oberstufe kurz darstellen:

Nehmen wir an, wir hätten Zwillinge, die in die gleiche Klasse gehen und in einem Fach die exakt gleiche Begabung aufweisen und die gleiche Klausur schreiben. Das ABC der Gefühle sieht wie folgt aus:

A) Situation

„Ich schreibe in 2 Wochen eine Klausur in Fach XY.“


Die Situation ist für beide gleich. Bei der gedanklichen Bewertung ist es anders:

B: Für Schüler 1

„Die Klausur ist schon in zwei Wochen und ich habe das Thema noch gar nicht verstanden. Sicher werde ich nicht mit allem fertig und muss dann ein halbleeres Blatt abgeben. Dabei muss ich in dieser Klausur unbedingt gut abschneiden, sonst bekomme ich eine schlechte Note. Das wäre der totale Horror! Ich muss doch auch ein gutes Zeugnis bekommen, sonst kann ich das mit dem Studienplatz gleich vergessen.“

B: Für Schüler 2

B)  Für Schüler 2: „ In zwei Wochen ist die Klausur. Weil ich noch nicht wirklich sicher in dem neuen

Thema bin, wird es Zeit, dass ich mit dem Lernen anfange. Das wird sicher schwierig, aber wenn ich mich anstrenge, habe ich noch genug Zeit. Ich brauche manchmal ein wenig länger für die Aufgaben und es kann sein, dass ich die Klausur nicht ganz zu Ende bearbeiten kann. Aber schließlich muss ich auch nicht 100% richtig haben. Ich arbeite in meinem Tempo ruhig weiter und lasse den Rest auf mich zukommen. Selbst wenn ich eine Aufgabe nicht schaffen sollte, ist das kein Weltuntergang. Ein gutes Zeugnis ist mir zwar sehr wichtig, aber wenn ich den Schnitt für das eine Studienfach nicht ganz schaffen sollte, fällt mir sicher noch etwas anderes ein.“

Was glauben Sie, wie sich die Reaktionen (C) der beiden Schüler unterscheiden werden?


Diese könnten etwa so aussehen:

C: Für Schüler 1

Starke Nervosität und Anspannung, Schlafstörungen, Prüfungsangst entsteht

C: Für Schüler 2

Respekt vor der Prüfung, leichte Nervosität und Anspannung


Fazit für die Praxis

Wie Sie sehen, kann die gedankliche Bewertung (B) einen großen Unterschied hinsichtlich des Wohlbefindens vor einer Prüfung machen. Somit ist die Bewertung verantwortlich, dass Prüfungsangst entsteht. Bei der Behandlung von Prüfungsangst setzt man aus diesem Grund genau hier an.

 

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